Interview: Über Kunststoff, der nicht in den Weltmeeren landet

Lohfelden
Interview Dirk Moses

Nachhaltigkeit in der Entwicklung von Kunststoffprofilen ist kein Selbstzweck, sondern muss sich auch wirtschaftlich rechnen. Damit wir das für unsere Kunden sicherstellen können, tüfteln Entwicklungsingenieure wie Dirk Moses laufend an neuen Lösungen, die fachliche Anforderungen und Nachhaltigkeit in Einklang bringen.

Im Interview gibt er uns Einblicke in seine Arbeit und die Bedeutung von Nachhaltigkeit.

Manche Leute denken bei technischen Kunststoffen zuerst an die Nachteile für die Umwelt, dann erst an die fachlichen Vorteile gegenüber anderen Materialien. Was entgegnest Du denen?

Beim Thema Kunststoff denken in der Tat viele Leute zuerst an die Verschmutzung der Weltmeere durch Plastiktüten, Mikroplastik und andere Kunststoffabfälle. Das ist jedoch nicht die Art Kunststoffprodukte, die wir hier bei Technoform herstellen. Richtig eingesetzt und sinnvoll entwickelt sind Kunststoffe sogar nachhaltiger als andere Materialien wie beispielsweise Metall. Das liegt unter anderem daran, dass Kunststoffe sehr langlebig sind. Beispielsweise ist ein Kunststoffbehälter für Chemikalien unter Einfluss von Säuren deutlich beständiger und langlebiger als vergleichbare Behälter aus Metall. Zudem ist die Herstellung aus Aluminium oder Stahl im Vergleich zu Kunststoff sehr energieaufwändig.

Wir versuchen unsere Kunststoffprodukte am Ende ihrer Lebenszeit vollständig zu recyceln. Das funktioniert mit Thermoplasten sehr gut, wenn wir über mehrere Produktgenerationen hinweg Profile aus dem gleichen Materialmix herstellen. Der verwendete Kunststoff wird wieder eingeschmolzen und erneut verarbeitet. Eine lange Nutzungsdauer und die gute Recyclingfähigkeit der verarbeiteten Thermoplaste machen unsere Kunststoffprofile zu sehr nachhaltigen Produkten. Wie gesagt, sind diese Produkte nicht vergleichbar mit Verpackungsmaterialien aus Kunststoff, die leider zu einem großen Problem für die Umwelt geworden sind.

 

Was bedeutet Nachhaltigkeit für Dich als Ingenieur in der Forschung und Entwicklung bei Technoform?

Grundsätzlich kann Kunststoff nur dann nachhaltig sein, wenn er seine Stärken voll ausspielen kann. Ein Kunststoffprofil, das nach kurzer Zeit seinen Dienst versagt, ist nicht nachhaltig. Deshalb beginnt Nachhaltigkeit für mich als Ingenieur bereits bei der Frage, ob Kunststoff sich grundsätzlich für die gewünschte Anwendung eignet. Wenn das nicht der Fall ist, empfehle ich unseren Kunden, auf ein geeigneteres und damit für ihn nachhaltigeres Material auszuweichen. Die Wahl des richtigen Materials spielt auch eine große Rolle für die Frage, was am Ende seiner Lebenszeit mit einem Kunststoffprofil geschieht. Stichwort Recycling…

Bei Technoform arbeiten wir nach den Prinzipien einer durchgängigen und konsequenten Kreislaufwirtschaft. Ziel ist es, alle Werkstoffe wiederzuverwerten. Wenn es die Anwendung im konkreten Fall zulässt, plane ich ein rückstandsfreies Recycling der verwendeten Materialien von Beginn an ein. Viele unserer Kunden wünschen mittlerweile ausdrücklich, dass ihre Kunststoffprofile auf diese Weise nachhaltig hergestellt werden. Werkstoffe, die man recyclieren kann, muss man nicht neu kaufen. Dadurch lassen sich Kosten einsparen ohne Abstriche bei der Qualität zu machen. Das hat jedoch Grenzen, denn Thermoplaste können nicht beliebig oft recycelt werden, ohne wichtige Materialeigenschaften zu verlieren.

Werkstoffe, die man recyclieren kann, muss man nicht neu kaufen. Dadurch lassen sich Kosten einsparen ohne Abstriche bei der Qualität zu machen.

Dirk Moses, R&D Project Manager bei Technoform

Wie hat sich der Produktlebenszyklus von extrudierten Kunststoffprofilen hinsichtlich Nachhaltigkeit in den letzten Jahren verändert?

Nachhaltigkeit ist in der Entwicklung individueller Kunststoffprofile heute standard. Unsere Kunden legen großen Wert darauf, mit Werkstoffen zu arbeiten, die umweltverträglich sind. Deshalb endet unsere Planung des Produktlebenszyklusses nicht mit der Lebensdauer eines Profils, sondern berücksichtigt auch Fragen der Wiederverwertung.

Im Idealfall wird ein Kunststoffprodukt am Ende seiner Lebenszeit nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip vollständig zu einem neuen gleichartigen Produkt wiederverwertet. Das ist jedoch in der Praxis selten zu 100% möglich, da die Kunststoffe bei der Wiederverwertung bestimmte Eigenschaften und damit an Qualität für die jeweilige Anwendung verlieren. In unseren Projekten versuchen wir jedoch zumindest einen Teil des verarbeiteten Werkstoffs wiederzuverwerten. Immer mit dem Ziel, unseren Kunden bestmögliche Qualität zu liefern. Wiederverwertung ist also kein Selbstzweck sondern muss sich immer an den Anforderungen an das Produkt orientieren.

 

Welche Rolle spielen neue Materialien, Technologien und Verfahren dabei?

Das Design eines Produktes entscheidet wesentlich darüber, wie lange ein Kunststoffprofil lebt und wie es am Ende seiner Lebenszeit wiederverwertet werden kann. Die Auswahl der richtigen Materialien spielt hier eine wichtige Rolle. Die Herausforderung besteht darin, fachliche Anforderungen an ein Produkt, Kosten und Nachhaltigkeit unter einen Hut zu bringen. Deshalb verstehen wir uns nicht als Dienstleister, der Vorgaben ungeprüft umsetzt, sondern unterstützen unsere Kunden mit unserer Erfahrung und Expertise beim Entwickeln der für sie besten Lösung. Bei der Auswahl der richtigen Werkstoffe arbeiten wir mit sehr kompetenten Lieferanten zusammen.

Neben den geeigneten Materialien spielen auch Technologien und Verfahren für die Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Deshalb arbeiten wir ständig daran, unsere Verfahrenstechnik zu optimieren und entwickeln neue Ansätze, Kunststoffe verarbeitbar zu machen, die mit Standardverfahren nicht herstellbar sind. Dazu zählen beispielsweise Spritzgussmaterialien und Materialien mit sehr hohen Anteilen an Füllstoffen.

Wenn es beispielsweise laut Anforderungen darauf ankommt, dass ein Kunststoffprofil eine sehr glatte Oberfläche hat oder Profilkanten hoch präzise geformt sind, dann können wir mit unseren speziellen Werkzeugen und Verfahren dazu beitragen, dass ein Kunststoffprofil sehr lange eingesetzt werden kann. Würde man an dieser Stelle sparen, verkürzte sich möglicherweise die Lebensdauer, was wiederum die Nachhaltigkeit negativ beeinflusst. Hinzu kommt, dass wir bei Technoform durch Simultaneous Engineering schnell zu einem serienreifen Produkt gelangen. Auch bei der Werkzeugfertigung sind nur wenige Testzyklen nötig. So sparen wir Material und Verschwendung wird vermieden. Nachhaltigkeit funktioniert also nicht ohne die richtigen Materialien, Technologien und Verfahren bei der Herstellung.

 

Wo geht die Reise in Sachen Nachhaltigkeit in der Kunststoffextrusion Deiner Meinung nach in den nächsten Jahren hin?

Nachhaltigkeit ist schon heute nicht nur nice to have, sondern in vielen Branchen standard. Allerdings findet sie noch immer vielfach in den engen Grenzen der Kostendiskussion statt. Erst allmählich verstehen Projektleiter, dass nachhaltige Produkte auf lange Sicht auch geringere Kosten bedeuten, wenn man die Werkstoffe im eigenen Produkt zumindest teilweise wiederverwertet. Das führt zu einem Umdenken in der Planung und Budgetierung von Projekten. Darauf werden mittelfristig auch die Hersteller von Werkstoffen reagieren, und sich mehr mit nachwachsenden Rohstoffen beschäftigen.

Das Recycling von Kunststoffen wird sich kontinuierlich weiterentwickeln, sowohl hinsichtlich der Recyclingverfahren als auch der Transparenz in den Materialkreisläufen. Im Idealfall erhält jeder Kunststoff, der irgendwo verarbeitet wird eine Kennzeichnung, die ihn eindeutig kennzeichnet, auch wenn er verarbeitet oder recycelt wurde. Das schafft mehr Transparenz und Sicherheit, wenn es darum geht, die Qualität von recycelten Werkstoffen für alle Beteiligten - Händler, Hersteller und Anwender - sicherzustellen.


Dirk, vielen Dank für das interessante Gespräch!

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