Qualitätsmanagement in der Herstellung von Isolierglas: Welche Rolle spielt die Gasfüllrate, Nils Hirschfeld?

Nils, man sieht Dich bei Technoform neuerdings oft mit einem Messgerät auf Rädern, das Du wie einen Trolly hinter Dir herziehst. Was hat es damit auf sich?

In dem Koffer steckt ein Sparklike Laser Portable™, ein Messgerät der neuesten Generation, mit dem sich Gasfüllraten von Doppel- und Dreifach-Isolierglaseinheiten zerstörungsfrei bestimmen lassen. Das Ganze funktioniert mit Hilfe der sogenannten Tunable Diode Laser Absorption Spectroscopy (TDLAS), bei der ein Laserstrahl, im Fall einer Zweifach-Verglasung, zunächst die erste Scheibe durchläuft und von der ersten Oberfläche der zweiten Scheibe zum Detektor reflektiert wird. Der Laserstrahl ermittelt die Abmessungen, also den kompletten Aufbau der IGU und berechnet aus dem Restsauerstoffgehalt in den Kavitäten der IGU so die Edelgaskonzentration im Scheibenzwischenraum. 

Regelmäßig durchgeführt lassen sich mit TDL-Absorptionsspektroskopie über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg sehr einfach und mit geringem Aufwand Veränderungen der Gaskonzentration feststellen und dokumentieren. Die Messung direkt nach der Produktion gibt dem Hersteller wichtige Hinweise auf die Qualität seiner Produkte, Verfahren und Prozesse. Die Überprüfung der Gasfüllraten bei bereits installierten Isolierglaseinheiten kann Aufschluss über die Haltbarkeit des Randverbundes geben. Technoform möchte einen Beitrag zur Qualität und Langlebigkeit von Isoliergläsern mit Warmer Kante leisten und Hersteller dabei unterstützen, ihr Qualitätsmanagement hinsichtlich Gasfüllung im Scheibenzwischenraum (und darüber hinaus) laufend zu verfeinern.
 

Isolierglaselemente werden heute mit modernsten Verfahren und Technologien hergestellt. Man sollte annehmen, dass sie absolut dicht sind und kein Isoliergas entweichen kann. Warum beschäftigst Du Dich trotzdem intensiv mit der Gasfüllrate und dem Gasverlust?

Isoliergase wie Argon, Krypton oder Xenon sind extrem flüchtig, dagegen hilft auf Dauer selbst die beste Dichtung im Randverbund nicht. Gasverlust lässt sich jedoch über die Lebensdauer des Glases hinweg verlangsamen, wenn es gelingt, sämtliche Komponenten im Randverbund optimal aufeinander abzustimmen. Das ist unser Thema und besonders wichtig bei sehr großen Isolierglaselementen, die klimatischen oder mechanischen Belastungen ausgesetzt sind. Deshalb betrachten wir bei Technoform nicht nur unser Produkt, den thermisch optimierten Hybrid-Abstandhalter, sondern wollen Verantwortung für den gesamten Glasrandbereich übernehmen. Denn was nützt der beste Spacer, wenn er nicht optimal mit Dichtstoffen,Trocknungsmitteln und anderen Komponenten des Glasrandverbundes zusammenwirkt?

Bei Isolierglaselementen, die vor 20 oder mehr Jahren installiert wurden, lässt sich nicht selten ein vergleichsweise hoher Gasverlust feststellen. Das ist kein Wunder, denn gerade der Randverbund war noch nicht auf dem Niveau, das wir heute haben. Auch die Anforderungen waren nicht so hoch wie heute. Warme-Kante-Systeme, wie die von Technoform, haben wesentlich dazu beigetragen, dass der Glasrandverbund heute deutlich energieeffizienter ist. 

Was mich besonders interessiert, ist das Verhalten heutiger Systeme entlang des gesamten Produktlebenszyklus’. Wir haben eine Langzeitstudie gestartet, um mehr über die Faktoren zu erfahren, die zur Qualität und Langlebigkeit des Glasrandbereichs beitragen. Bis heute haben wir schon fast 1.100 Einheiten getestet und dokumentiert. Dieses Wissen soll uns und unsere Partner, die Isolierglashersteller, Planer und Fensterbauer unterstützen, ihr Know-how rund um ihre Produkte laufend weiterzuentwickeln.

Die Feldstudie von Technoform zur Gasfüllrate und Qualität von Mehrfachverglasungen mit Argon hat erst 2019 begonnen. Ihr habt jedoch schon fast 1.100 Einheiten mit der Tunable Diode Laser Absorption Spectroscopy getestet. Zeichnen sich schon erste Ergebnisse ab?

Für eine statistisch tragfähige Beurteilung wäre es noch zu früh, dazu benötigen wir mehr Daten über einen längeren Zeitraum von 10 bis 15 Jahren. Es lässt sich jedoch schon jetzt feststellen, dass Isolierglashersteller die Gasfüllrate ihrer Produkte gut im Griff haben. Das ist eine gute Nachricht. Wir sehen dennoch Ansätze, die Langlebigkeit zu verbessern sowie das Qualitätsmanagement in der gesamten Wertschöpfungskette in puncto Gasfüllrate weiter zu verfeinern, um Risiken von Gasverlust und damit einer schleichenden Verringerung der Energieleistung von Isolierglaseinheiten proaktiv zu minimieren. Moderne Testverfahren wie TDLAS geben uns die Möglichkeit, Qualität laufend stichprobenartig zu überprüfen und Schwachstellen zu erkennen. 

Auf dieser Basis lassen sich Materialien und Verfahren nachhaltig verbessern und ein Mehrwert für den Endverbraucher schaffen. Hier sehe ich eine große Chance für Hersteller, sich für die Zukunft optimal aufzustellen. Denn es ist durchaus denkbar, dass Messungen der Gasfüllrate mit mobilen Messgeräten irgendwann standardmäßig, z.B. im Rahmen von Bauabnahmen oder Gewährleistungsprüfungen durchgeführt werden. Darauf sollten sich Isolierglashersteller rechtzeitig einstellen, wir unterstützen unsere Kunden mit unserer Erfahrung und unserem Know-how gerne dabei.

Nils, vielen Dank für das interessante Gespräch!